Hallo und "Moin",
zum Ende des Jahres möchten wir euch in unserem halbjährlichen Wasserstand über die Entwicklung von "Hamburg '78" informieren. Eigentlich gibt es diesmal gar nicht so viel Neues, weil die Arbeiten im Projekt immer die gleichen sind. Gebäudebau, Streckenbau und Ausgestaltung. Das war die letzten sechs Monate im Prinzip schon alles. Weil das aber für einen Wasserstand jetzt doch etwas kurz wäre, holen wir heute ein bisschen aus und plaudern etwas aus dem Nähkästchen.
Wir drehen die Zeit zurück - LOTUS die Zeitmaschine
Eine Besonderheit von “Hamburg ‘78” ist, dass wir ein Zeitfenster abbilden, das jetzt über 45 Jahre zurückliegt. Hamburg baut und baut, womit sich das Stadtbild ständig verändert. Alte Häuser verschwinden, neue Gebäude entstehen. Dem tragen wir Rechnung.
Was oft gar nicht so bewusst ist, auch der Straßenraum selbst wandelt sich. Er ist genau wie die Gebäude starken Veränderungen unterworfen. Auf unserer Linie 2 fahren heute die Gelenkbusse der MetroBus-Linie 5. Diese Buslinie war Teil der “Hamburger Busbeschleunigung”, wodurch die Straßen entlang der Strecke stark verändert wurden. Bushaltestellen wurden umgebaut, Kreuzungen den aktuellen Vorgaben entsprechend umgestaltet und an vielen Stellen die Radwege in den Straßenraum verlegt. Dadurch präsentieren sich die Straßen und Kreuzungen heute ganz anders als im Jahr 1978. Wie wir es trotzdem schaffen, ein Hamburg nachzubilden, wie es das vor langer Zeit gab, ist Teil dieses Wasserstands.
“Roland 15” Straßenbauer und Landschaftsgestalter berichtet
”Roland15” ist im richtigen Leben Straßenbahn- und Busfahrer in Mannheim. Er kümmert sich im Addon um den Straßenbau und die Ausgestaltung
“Sicherlich fragen sich einige, warum die Erstellung der Karte mit nun fast 4 Jahren Entwicklung so langwierig ist. Dazu mal ein paar kleine Erläuterungen: Erstens: Rolf ist ja soooo schrecklich detailverliebt. Da ich das auch bin, haben sich genau die Richtigen getroffen. Und das dauuuuuuert ....
Zweitens, und das betrifft dann wieder eher mich, ist es der Streckenbau. Wie kann man einen Stadtzustand mit allen Straßen und Kreuzungen erstellen, der 45 Jahre zurückliegt?
Heutzutage ist es recht einfach, aufgrund der Datenlage selbst hinzugehen und Fotos zu machen. Klar, das Fotografieren ist auch Aufwand, aber hat man die Bilder auf dem Chip der Kamera, lässt sich doch recht einfach eine aktuelle Strecke nachbilden. Den Aufwand im Lotus-Editor und Blender lasse ich jetzt mal unter den Tisch fallen, es geht rein um die Möglichkeit der Informationsbeschaffung.
In den 70ern machte man noch “richtige” Fotos. Deren Filme wurden in Fotolaboren entwickelt. Auf einen Film passten bis zu 36-Fotos und die Entwicklung war kostspielig. Beim Fotografieren wusste man nicht, ob die Bilder was geworden oder hoffnungslos verwackelt. Außerdem überlegte man sich jedes Motiv mehrmals, um ja keinen kostbaren Film zu verschwenden. Von daher hat man damals leider weniger Fotos geknipst, als heute. Glücklicherweise haben aber doch einige Menschen ihre Fotos oder Videos bis heute gehegt, gepflegt und digitalisieren lassen und so konnten viele dieser Schätze der Nachwelt erhalten bleiben und sind teilweise heute sogar hier und da im Internet zu finden.
Auch Rolf ist recht gut vernetzt und konnte viele Quellen und Archive anzapfen, um uns eine gute Datengrundlage zu schaffen. Was uns sicher geholfen hat, ist die Tatsache, dass die Linie 2 zum Ende des Betriebs zu den meist fotografierten und gefilmten Linien gehörte. Ein äußerst glücklicher Umstand für uns, denn ohne diese Informationen wäre diese Detailtiefe so nicht möglich gewesen.
Rund 2.000 Fotos der Linie 2 aus verschiedensten Quellen sind die Basis für den Nachbau der Strecke. Danke an die vielen Menschen, die uns mit Bildern und Videos für die Recherchen unterstützen!
Auf diese Fotos greifen wir bei den Recherchen immer wieder zurück. Wie oft haben wir jedes einzelne Foto angesehen, nur um festzustellen, ob da ein Verkehrsschild XY oder der Zaun oder Baum an dieser Stelle korrekt steht? Manchmal versteckte sich die Information auch in einem der Videos über die Straßenbahn. Wir haben auch die Filme jetzt schon so oft angeschaut, dass wir relativ schnell wissen, an welche Stelle wir spulen müssen, wenn es um einen bestimmten Streckenabschnitt geht.
Dann hatten wir glücklicherweise den Umstand, der vielleicht für die Topographie der Strecke das wichtigste Tool war: das Geoportal der Stadt Hamburg. In diesem befinden sich unter anderem historische Karten, welche sogar mit Höhenangaben (!) versehen sind. Die meisten Geoportale bieten so etwas nicht an.
Im Geoportal Hamburg gibt es historisches Kartenmaterial zur Ansicht. Unverzichtbar für die Recherche
So konnte ich von einer Kreuzung zur nächsten die korrekten Höhenangaben eingeben, egal ob es auf 100 Metern nur einen oder drei Meter in der Höhe ausmachten. Das hat nun den großen Vorteil, dass ihr später mit einer V6E-Tram in der Original-Topographie von 1978 die Hansestadt durchqueren könnt.
Hat man in LOTUS die Topographie in der Karte erstellt, geht´s an den Streckenbau. Über Straßen und Wege muss ich nicht viel erklären, kommen wir gleich zu den Kreuzungen. Und da kommt der Vorteil des Lotus´schen Kreuzungsbaus voll zur Geltung. Zugegeben, es ist sehr arbeits- und zeitaufwändig und es handelt sich bei jeder Kreuzung um ein Einzelstück, aber wenn das Ergebnis dafür sehr befriedigend ist, ist es jeden Aufwand wert. Und sooo schlecht habe ich sie dann offensichtlich auch nicht getroffen, wenn ich mir die Resonanz unserer Testerinnen und Tester (und Rolf natürlich ) so ansehe. Natürlich ist es beim Streckenbau nicht mit ein paar Splines und Polygonen getan. Eine Kreuzung ist ja oftmals vom "Leben geprägt", sprich´, Straßenschäden, Kanaldeckel und ein paar Kleinigkeiten gehören dazu, um eine Kreuzung so real wie möglich wirken zu lassen.
Ein weiterer Glücksfall ist ein alter Fotoband, den das Hamburger Abendblatt 1978 herausgebracht hat. “Unter dem Himmel von Hamburg”, so der Titel des Buches, enthält zahlreiche Luftaufnahmen aller Hamburger Bezirke. Darunter auch die Stadteile entlang unserer Linie 2 und das sogar im Jahr 1978! Hier können wir uns zusammen mit den Informationen aus dem Geoportal einen guten Gesamtüberblick über das “Damals” verschaffen.
Das Hamburger Abendblatt hat in den 1970er Jahren Bildbände herausgegeben. Diese sind bei den Recherchen sehr hilfreich. Zum Glück haben wir diese Bücher im Antiquariat noch ergattern können.
Eine Kreuzung ist naturgemäß nie gleich und so ist auch hier jede eine neue Herausforderung, die mal Spaß macht oder aber mit einer Wurzelbehandlung beim Zahnarzt vergleichbar ist. Soll heißen, mal bin ich nach zwei bis drei Stunden durch, manchmal dauert es Tage. Und wenn ich Pech habe, gibt es zum Abschluss dann auch noch obendrauf eine komplizierte Ampelschaltung.
Die Kreuzung Niendorf Markt im LOTUS-Map-Editor
Apropos Ampelschaltung: wie diese geschaltet waren, darüber gibt es wenig Informationen. Wir haben daher auf gewisse Standards zurückgegriffen. Bekannt ist nur, dass die Hamburger Tram über sehr wenige Anforderungen verfügte und die Signalschaltung mehr oder weniger mit dem Individualverkehr abgestimmt war und dadurch immer mitlief. Deswegen haben wir vieles dem eigenen Empfinden überlassen, der 5-Minuten-Takt der Linie 2 kann dennoch eingehalten werden.”
Was hat sich sonst noch so getan, Rolf als Häuslebauer stellt vor
Rolf “RW1HH” arbeitet im richtigen Leben im Marketing eines Hamburger Busunternehmens. Privat hat er sich hingegen der alten, virtuellen Straßenbahn verschrieben.
“Mein Schwerpunkt lag in den letzten sechs Monaten auf dem Bau von Gebäuden. Hier und da habe ich zwar noch an den V6E gearbeitet und den Bahnen individuelle, historisch recherchierte Gebrauchsspuren verpasst, das aber eher als Abwechslung, um mal etwas anderes zu machen als immer nur Gebäude zu bauen.
Damit das Erstellen der Häuser nicht zu eintönig gerät, springe ich gerne in den Streckenabschnitten. So baue ich in der Innenstadt, dann schließe ich wieder letzte Baulücken zwischen Niendorf und Schnelsen, um dann wieder Gebäude entlang der Hoheluftchaussee zu erstellen.
Am Gänsemarkt sind die Baulücken in Richtung Jungfernstieg und Gerhofstraße geschlossen.
Durch die historische Recherche gestaltet sich der Bau recht aufwendig. Das gilt für Häuser, die längst verschwunden sind, genauso wie für Bestandsgebäude, die im Verlauf der Jahrzehnte umgestaltet wurden. Andere Fenster, Türen, zeitgemäß gestaltete Schaufenster in Geschäften sind ein Muss. Bei den Läden versuche ich herauszufinden, welche Geschäfte es damals in den Häusern gab. Einige Läden haben die Jahrzehnte bis heute überdauert. Dann unterstützen uns die heutigen Ladeninhaber manchmal sogar mit Infos.
Linie 2 in der engen Gerhofstraße. Da wo wir es herauskriegen, bilden wir die historischen Geschäfte nach.
Das “KAHO” (Kaufhaus Hoheluft) gibt es nicht mehr. Das Gebäude an der Hoheluftchaussee beherbergt heute diverse Geschäfte. Die Fenster in den Gebäuden überarbeite ich in der Regel. Fensterrahmen werden, wenn nötig, gegen historische Exemplare ausgetauscht. Gardinen hinter den Fenstern gehörten damals zum guten Ton und dürfen nicht fehlen.
Der Bau von Gründerzeit-Bauten ist eine Freude. Erst wird die Textur konzipiert, dann entsteht das 3D-Modell. Danach kommen die Texturen für Alpha (Glanz), Nachtmodus und Normalmap (Strukturen) dran. Das ist für mich immer das “i-Tüpfelchen”, denn mit den Materialeigenschaften, die man im LOTUS-Content-Tool festlegt, kann man tolle Effekte generieren. Bin ich damit durch, geht das Modell an Roland, der es aufstellt und das Umfeld gestaltet.
Wie beim Streckenbau, gibt es Gebäude, die gehen schnell von der Hand. Andere sind hingegen mit viel Aufwand verbunden. Zu Letzterem gehört zum Beispiel das Logenhaus an der Moorweidenstraße. Das Gebäude, eigentlich ein Modell in zweiter Reihe, steht gemeinsam mit dem Hotel Dammtor-Palais etwas abseits von der Strecke. Man nimmt es eigentlich nur wahr, wenn man beim Vorbeifahren durch die Bäume guckt. Trotzdem darf es nicht fehlen.
Das Logenhaus in der Moorweidenstraße liegt versteckt in zweiter Reihe und erfordert doch viel Aufmerksamkeit
Das Problem: Beim Original stehen vor dem Haus Bäume und zwar sehr dicht. Egal, wie man fotografiert, man hat immer Zweige oder Äste im Bild. Aus einer Vielzahl von Fotos konnte ich letztlich doch eine Textur generieren, für die ich aber wirklich lange pfriemeln bzw. pixeln musste. Eigentlich viel zu viel Aufwand, für ein "Zweitreihen-Modell". Aber wer später im Spiel an der roten Ampel in der Edmund-Siemers-Allee steht, wird sich vielleicht doch über die authentische Wiedergabe freuen. Auch wenn er dabei dann wieder viele Bäume vor der Nase hat.
Das Original-Logenhaus: Immer hat es Zweige und Äste im Bild. Die müssen für die Textur alle weg. Deshalb habe ich die Fassade in verschiedenen Perspektiven fotografiert, aus denen dann eine Textur zusammengepixelt wird.
Die Oberpostdirektion Hamburg gehört mit ihren Türmen und Zierrat bisher zu den aufwendigsten Haus-Modellen.
Ein anderes Modell, das ich lange vor mir hergeschoben. habe ist die Oberpostdirektion am Stephansplatz. Nicht nur, dass dieses Gebäude aufwendige Türmchen an den Ecken hat, die sind dann auch noch abgerundet und nicht winklig. Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich mit der Form und den Proportionen zufrieden war. Zwischendurch gab es immer mal wieder lange Kreativ-Pausen."
Es wird, aber braucht Zeit
Es geht also voran, trotzdem liegt noch ein langer Weg vor uns. Die lange Wartezeit können wir euch leider nicht ersparen. Wir hoffen aber, dass unsere halbjährlichen Wasserstände dafür etwas entschädigen.
In diesem Sinne wünsche wir euch friedliche und besinnliche Feiertage und verbleiben bis zum nächsten Wasserstand im Sommer 2024!