Wartezeit beachten!

Am 28.08.1865 geht die erste Strecke einer Pferdebahn in Deutschland vom Kupfergraben in Berlin nach Charlottenburg in Betrieb. Nachdem bereits am 22.06.1865 das erste Teilstück vom Brandenburger Tor das damalige Berlin mit seiner Nachbarstadt verbunden hat, folgte nur zwei Monate später das Stück auf dem die von uns mit Spannung erwartete M1 noch heute verkehrt. Dies ist nun bereits 153 Jahre her und die Endstelle "Mitte, Am Kupfergraben" darf daher zurecht als Geburtsstätte eines der größten Straßenbahnnetze der Welt bezeichnet werden. Mit diesem Blog möchte ich uns die Wartezeit überbrücken, bis wir alle selbst im LOTUS-Simulator von Museumsinsel und Kanzlerinnenwohnung nach dem Bezirk fahren können, welchen Bolle jüngst zu Pfingsten sein Ziel nennen durfte: Pankow.


Bis dahin möchte ich in verschiedenen Artikeln auf Betriebliches der Berliner Straßenbahn eingehen: Signale, Weichen, Fahrzeuge usw. Dazu werde ich anhand von Fotos Erklärenswertes erklären. Konstruktive Hinweise sind gern willkommen.


Bevor es aber richtig losgeht, folgen erstmal Bilder zu "Vergangenem" bei der Berliner Straßenbahn, wobei wir einen Blick auf ein nicht ganz unwichtiges Detail jedes "concessierten" Verkehrsbetriebes werfen: die Wagen- oder Fahrzeugnummer.


Dieses Identifikationsmerkmal für jedes Fahrzeug eines Betriebes begleitet uns seit den Anfängen des öffentlichen Verkehrs. Dass Straßenbahnen in Deutschland an ihrer Außenseite eine Fahrzeugnummer haben müssen, entnehmen wir der Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen bzw. Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung, kurz: BOStrab. Nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 BOStrab ist die Fahrzeugnummer an der Längsseite eines jeden Fahrzeugs Pflicht. Darüber hinaus dient die Zuordnung der Nummern dazu, den täglichen Betrieb abwickeln zu können. Es ist sicherlich einfacher zu sagen, dass Wagen 9012 mit defekter Klimaanlage in der Halle steht, als der Wagen, der vor einer Stunde von der M13 zurückkam und jetzt in der Halle gleich vorne auf Gleis 14 usw., usf. ... schwupp, ist der Dienst rum.



Bei diesem "Reko-Wagen" ist die Fahrzeugnummer gut zu sehen. Wäre die Nummer nur an der Frontseite, wäre sie nicht "BOStrab"-konform (Längsseite), aber damit war das Fahrzeug von Weitem nicht nur gut zu hören, sondern auch recht schnell zu identifizieren (wahrscheinlich gab es auf jedem Betriebshof Operngläser...). Überdies erkennt man, dass dieser Triebwagen nach der Wende seine Nummer "verloren" hatte, da man in der DDR "mit der Zeit ging" und sämtlichen Fahrzeugen eine EDV-Nummer verpasste. So trug der 1969 im RAW Schöneweide "neu umgebaute" Zweirichter (TZ 69) beim Kombinat Berliner Verkehrsbetriebe (BVB) die Nummer 223 011- 1, wurde 1992 auf 3011 umgenummert und kam 1996 in Straßenbahnmuseum Hannover, wo später diese Aufnahme entstand.



Hier sehen wir zwei "bezaubernde Ladies" bei einer Sonderfahrt zum Thema "40 Jahre Tatra" in Berlin. An dieser Stelle gilt allen Beteiligten Hochachtung, dass sie den KT4D im "Originallack" wieder haben auferstehen lassen. Da die Fahrzeugnummer leider auf der Aufnahme nicht so gut zu erkennen ist, habe ich die Vergrößerung eingefügt. Die Nummer lautet "219 282-8". Damit nummerierten die damalige Deutsche Reichsbahn (DR) und die BVB im Nummernschema, wie es noch heute bei der Eisenbahn üblich ist. Die ersten drei Ziffern weisen auf die "Baureihe" hin und die anschließenden Ziffern definieren die Fahrzeugnummer der Reihe. Da die DDR auch auf dem Gebiet der Computertechnik führend war - Pause - folgte die EDV-gerechte Kontrollziffer, hier die "8". So wurden die Tatras mit der Ordnungsnummer 219 und die Reko-Zweirichter mit der Ordnungsnummer 223 (s. o.) geführt.



Auch schon Vergangenheit. Hier genießt Wagen 7016 die Sonne auf dem Betriebshof Lichtenberg im Juni 2014, kurz bevor die Ära der KT4Dt am 4. Juli 2014 endete. Seit 2018 fährt der Wagen durch Saporischja in der südlichen Ukraine. Der Wagen kam 1985 als einer der KTs mit Thyristor-Steuerung (daher das kleine "t") nach Berlin und fuhr bis 1992 unter der Fahrzeugnummer 219 421-0 durch die Hauptstadt. Er erhielt nach der Wende die Wagennummer 9721 und 1994 die Nummer 7016, wobei ihn die erste Ziffer als einen "Tatra-Wagen " ausweist. Mit der "7" als einer mit besagter Steuerung, deren Summen uns immer wieder daran erinnerte, dass es auch für eine Straßenbahn echt anstrengend ist, ein paar hundert mehr oder minder gelaunte Fahrgäste zu ihren Arbeitsstätten und wieder zurück zu bringen.



Gleiche Stelle, allerdings drei Jahre früher. Am 01.10.2011 ist die Party-Straßenbahn "Berlinerfahrbar" auf Gl. 14 (a/b) auf dem Hof Lichtenberg gelandet und wird nun entladen. Und nun wird es irre. Wie man an der "geknickten Längsseite" sehen kann, trägt der Wagen die korrekte Nummer "4592", womit ihn die Ziffernfolge "45..." als Sonderwagen ausweist. Da der Wagen abgerüstet ist, zeigt sich in der "Zielbeschilderung" die Wagennummer "7592", was im doppelten Sinne falsch war (wurde mit späteren Datenversionen korrigiert!). Zum einen war das nicht die korrekte Nummerierung für einen Sonderwagen und zum anderen war die Party-Bahn kein KT4Dt, worauf die "7" hindeutet. Vielmehr verfügt dieser Wagen über diesselbe Steuerung wie sein nebenstehender Nachbar mit der Nummer "6008". Beide sind KT4Dmod, die jedoch nicht mehr auf Berliner Gleisen unterwegs sind. Wagen 6008 dreht wohl in Udmurtien (???) seine Runden und Wagen "4592" hat seit diesem Jahr ausgefeiert. Seither verkehrt die letzte Party-Bahn zwischen Hauptbahnhof und Warschauer Straße. M-trööt-zehn!



Im Jahr 2013 grüßen bereits die Flexitys, hier Wagen 8016. Er ist noch neu in der Klasse, während ihn die pausierenden KTs mit Nichtbeachtung strafen... Jetzt ist es genau andersrum. Ein vereinzelter Tatra-Wagen ist in Mitte mittlerweile erwähnenswert. Wer hätte das vor 20 jahren gedacht... Genug des Rückblicks. Wie ist der Stand heute. Die Fahrzeugnummern bei der Elektrischen in Berlin sind vierstellig und unterscheiden zwischen folgenden Fahrzeugtypen (nach den ersten Ordnungsnummern):


1... Gt6, Einrichter

12... Gt6, Einrichter mit OBU (Gt6NO)

15... - 16... Gt6, Einrichter (Umbauvariante mit Cegeleg-Steuerung/Gt6U)

2... Gt6Z, Zweirichter

22... GtZO, Gt6 Zweirichter mit OBU

3... warn Versuch wert ;) ("kurzer Einrichter-Flex", F6E)

4... kurzer Zweirichter Flex (F6Z)

45... Arbeits-/Sonderwagen (4592 "Berlinerfahrbar", 4572 [ex 6120] "Fahrleitungskontrolle")

8... lange Einrichter Flex (F8E)

9... lange Zweirichter Flex (F8Z)


Das soll es für einen ersten Eindruck gewesen sein. Weitere Eindrücke sollen folgen. Bis dahin gilt, Augen und Ohren offen zu halten, um immer das Signal "Sh 5" hören zu können...


Grüße vom Lotushof

Kommentare 9

  • Schade, daß man in der Antwort keine Bilder einstellen kann.

    Dann hätte ich sinnvoll Deinen tollen Blog um alte Fotografien und Erklärungen ergänzen können.

    Ich war in den 80er Jahren auf dem Betriebshof Lichtenberg als Straßenbahnfahrer und Lehrfahrer beruflich unterwegs.

  • Toll, ich freue mich schon auf weitere Artikel in diesem Blog! Eine kleine Erwähnung ist vielleicht noch wert, dass die DVB (samt Subunternehmen) in Dresden nach wie vor das EDV-Nummernschema bei ihren Straßenbahnen und Bussen nutzen. Ich kenne keine andere Stadt/Gegend/Region in Deutschland, wo das sonst noch so gehandhabt wird.

    • Da würde mir spontan auch keine andere Stadt einfallen, aber dazu sind wir ja hier ein paar mehr, um das ggf. rauszufinden.

  • Ach 6008 *träum*, auf dem hab ich gelernt?. Dieser Moment, wenn man das erste mal eine richtige Strassenbahn selber mit eigenen Händen fährt.


    Psst... kleiner Tipfehler beim 9000er, ist ein F8Z?

    • Danke für den Hinweis. Ist korrigiert... :-)

    • Na sowas, jetzt steht dort F8E statt F8Z...

    • Jetzt müsste es passen... hab ich mich wohl vertuppt.

    • Te, Tz, TDE, T6/A2 (+mod.), Kt4d (+mod.) und Kt4dt (+mod.) noch für Lotus wäre der Hammer.


      Ordnungsnummer nach EDV:


      Te: 217 ...

      Tz: 223 ...

      TDE: 218 001 bis 068

      T6/A2: 218 101 bis 218

      Kt4D/Kt4Dt: 219 ...


      Neuste Wagennummern:


      Te: 3050 bis 3301

      TZ: 3001 bis 3018

      TDE: 3805 bis 3863 (wurden aber nicht mehr am Wagen angeschrieben, an keinen)

      T6/A2: 5101 bis 5218

      Kt4Dmod.: 6001 bis 6174

      Kt4Dtmod.: 7001 bis 7099

    • Vielen Dank für die Ergänzung...


      Und dabei gleich die Ankündigung, dass der nächste Artikel bereits in Arbeit ist.