3642 - Der Heimkehrer

Bereits am 15. September 1978, also noch vor Einstellung des Straßenbahnbetriebes, wurde Wagen 3642 vom Betriebshof Lokstedt abgeholt. Er war bereits Ende August an einen Privatmann verkauft worden, der den V6E-Triebwagen im Bahnbetriebswerk Buchholz (Nordheide) im Lokschuppen unterstellte.


Nachdem der Besitzer das Interesse an dem Wagen verloren hatte, erwarb ihn im Februar 1983 der Hamburger Omnibus Verein (HOV). Eigentlich beschäftigt sich der Verein mit historischen Hamburger Omnibussen. Aber für die nächsten Jahre war 3642 in der Obhut der HOV-Mitglieder. Der Wagen parkte weiterhin trocken und gut gesichert im Lokschuppen Buchholz. Im Herbst 1985 kündigte die Deutsche Bundesbahn den Stellplatz und was wohl niemand gedacht hätte; der Wagen ging zurück an die Hamburger Hochbahn AG. Während die HOCHBAHN damit wieder einen Straßenbahnwagen im Bestand hatte, konnten sich die Mitglieder des HOV im Tausch über einen sogenannten „S80“, den Prototypen der zweiten Standardbus-Generation freuen.


Im Dezember 1985 verließ 3642 sein langjähriges Domizil und wurde nach Barmbek überführt. Das Gelände der U-Bahn-Hauptwerkstatt in der Hellbrookstraße sollte die neue Heimat des Wagens werden. Dort wurde der Triebwagen neu lackiert, nahezu vorbildlich beschriftet und auf dem Freigelände der Hauptwerkstatt auf einem kurzen Gleisstück auf- und ausgestellt. Die Hochbahner hatten sogar noch eine originale Haltestelle aufgetrieben und davor platziert.


1989 verließ 3642 sein Stammgleis kurzfristig, um auf einem Tieflader an einer Parade zum 150-jährigen Jubiläum des Hamburger Nahverkehrs teilzunehmen. So rollte der Wagen als letzter V6E durch die Mönckebergstraße. Zwar nicht aus eigener Kraft und nur huckepack, aber immerhin zur Freude der zahlreichen Besucher*innen in der Hamburger Innenstadt. Danach folgten weitere Jahre auf seinem Stammplatz in Barmbek. Der Wagen wurde erneut lackiert, doch die Freiaufstellung zehrte an der Substanz der Bahn. So entschied man, 3642 wieder unter Dach auf einem Werkstattgleis abzustellen. Platzmangel machte es dann aber nötig, den Wagen abgeplant im Freigelände an versteckter Stelle abzustellen.


2013 fand sich schließlich eine neue Aufgabe für den Wagen. Er sollte zurück an seine ehemalige Wirkungsstätte, den ehemaligen Betriebshof Lokstedt. Dort wollte der Baumarkt, der in den ehemaligen Straßenbahnhallen residierte, neu bauen. Dem stand aber der Denkmalschutz im Wege. Man fand einen Kompromiss: Die Halle wurde bis auf vier Achsen abgerissen. In dem verbliebenen Rest sollte eine kleine Ausstellung auf die Historie des Gebäudes hinweisen. Dafür stellte die Hochbahn ihren Straßenbahnwagen als Leihgabe zur Verfügung. Im März 2013 wurde 3642 per Tieflader zum Nedderfeld transportiert und dort in einen provisorischen Holzverschlag eingehaust. Man riss die alte Halle bis auf vier Achsen ab, gleiste den Wagen auf ein eigens verlegtes Gleis auf und schweißte ihn in Schutzfolie ein.


Dann baute man den neuen Baumarkt um das alte Betriebshof-Fragment herum. Als der Wagen nun im Gebäude eingebaut war, nahmen sich Restauratoren der Bahn an. Allerdings wurde nicht der letzte Betriebszustand hergestellt, sondern die Neulackierung aus den späten 1980er Jahren restauriert. Historisch nicht korrekt, aber die Bahn steht warm und trocken und ist zu den Geschäftszeiten des Baumarkts zu besichtigen. Leider wird sie immer wieder mit Ware zugestellt. Ein Baumarkt ist dann halt doch kein Verkehrsmuseum. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau, denn letztlich ist wenigstens ein V6E-Triebwagen in Hamburg erhalten und sogar öffentlich zugänglich.

Zumindest, wenn man Dübel, Tapeten oder Werkzeug braucht. ;)


Übrigens: Seit 2016 gibt es eine weitere historische Straßenbahn in Hamburg! Im ehemaligen Betriebshof im Krohnskamp parkt derV7E-Triebwagen Nr. 3363. Das alte Depot ist zum Parkhaus eines Supermarkts umgebaut worden und der Wagen parkt dort im Eingangsbereich. Sonnabends ist der Triebwagen sogar geöffnet und Straßenbahnfreunde freuen sich auf Besucher*innen, die mal einen Blick auf und in die Hamburgensie werfen möchten.


Linktipp: Wer sich ausführlich mit der Geschichte der in Hamburg erhaltenen Wagen beschäftigen möchte, sollte unbedingt mal in der Bahnfotokiste von Jan Borchers vorbeischauen. Auf seiner Website stellt er nicht nur die beiden Wagen 3642 und 3363 vor. Weitere interessante Bahngeschichten, umrahmt von tollen Fotos erwarten die Besucher. Also unbedingt mal reinklicken! :)