3633 – der letzte Planwagen der Linie 2

Die planmäßig letzte Fahrt der Linie 2 wurde in der Nacht zum 1. Oktober 1978 mit dem Triebwagen Nr. 3633 geleistet. An der Kurbel: Edmund Spies. ein langjähriger Straßenbahnfahrer, der für seinen Beruf brannte. Er konnte es nicht verstehen, dass Hamburg die Straßenbahn einstellte. Auch Jahre nach Einstellung des Betriebs ließ er keine Gelegenheit ungenutzt, um in der Öffentlichkeit für dieses Verkehrsmittel zu werben.


Am späten Nachmittag des 30. September 1978 nahm er seinen Dienst mit dem festlich geschmückten Triebwagen auf. Mit Girlande und Steckschild „Letzte Fahrt“ versehen, rollte der Wagen unter den Augen vieler Schaulustiger und Fernsehkameras, vom Betriebshof Lokstedt.

Während der Fahrt hatten sich viele Straßenbahnfans im Wagen eingefunden und sollten diesen in den nächsten Stunden auch nicht mehr verlassen. Man wollte dabei sein, auf der letzten offiziellen Fahrt der Linie 2.


Gegen 21 Uhr, der Wagen hatte gerade Schnelsen erreicht, erhellten Scheinwerfer eines Filmteams die Schleife in grelles Licht. Wagen und Fahrer wurden in Szene gesetzt und Edmund Spies gab für die NDR-Fernsehdokumentation „Abgeklingelt“ ein Interview. Dann setzte Spies seinen Dienst fort.


Als spät in der Nacht, um 0:29 Uhr die letzte Planfahrt vom Rathausmarkt anstand, kam es doch noch einmal zu einer unvorhergesehenen Störung. An der Haltestelle Rentzelstraße musste die Fahrt unterbrochen werden, weil das Gleis durch den liegengebliebenen Triebwagen 3607 blockiert war. Souvenirjäger hatten ihn außer Gefecht gesetzt. So musste der letzte Planwagen wohl oder übel abwarten, bis die Strecke wieder frei war. Nach gut einer Stunde konnte der liegengebliebene Straßenbahnwagen seine Fahrt aus eigener Kraft fortsetzen und auch Edmund Spies hatte mit seinem 3633 wieder freie Fahrt. Weiter ging es noch einmal bis zur Endstation in Schnelsen. Hier wurde gekehrt und mit gut einer Stunde Verspätung rückte der Wagen als offizielle, letzte Linie 2 in den Betriebshof Lokstedt ein. Trotz der fortgeschrittenen Zeit hatten sich viele Menschen und Medien auf dem Betriebshof eingefunden, um diesen Moment mitzuerleben. Mit Beginn des Winterfahrplans 1978/79 in der Nacht zum 1. Oktober endete damit der offizielle Betrieb der Linie 2. Ihre Verkehrsaufgaben übernahm die neue Buslinie 102 (heute MetroBus-Linie 5).


Auch für Edmund Spies endete eine Ära, denn nach diesem Wochenende beendete er sein langjähriges Berufsleben bei der Hochbahn und ging in den Ruhestand.


Als am Folgetag ein letzter Sonderbetrieb zum Abschied anlief, war Wagen 3633 nicht mit von der Partie. Er parkte, etwas gerupft, auf einem Nebengleis neben der Halle mit weiteren schadhaften Wagen. Er gehörte dann auch zur Serie von Fahrzeugen, die unmittelbar nach der Einstellung verschrottet wurden.


Edmund Spies hingegen blieb auch im Ruhestand aktiv und erinnerte jedes Jahr in der Nacht zum 1. Oktober öffentlichkeitswirksam mit einer Gedächtnisfahrt an das Ende der Hamburger Straßenbahn. Dann fuhr er begleitet von seiner Frau und einigen Straßenbahn-Fans die ehemalige Linie 2 mit seinem Privatwagen ab. 1995 verstarb Edmund Spies.

Kommentare 4

  • Das war noch die Zeit, als für viele Fahrer der Beruf auch die Berufung war. Die kannten auf ihren Linien ihre Stammfahrgäste und wussten bei jedem Wagen von allen Macken und Wehwehchen.

    Ist heute ganz ganz selten, auch in Städten in denen die Straßenbahn überlebt hat. Heute findet man sie meistens in Oldtimer- und Museumsvereinen.
    Daß der Job heute einen anderen Stellenwert hat als früher liegt natürlich auch an der Veränderung der Arbeitsbedingungen, um es mal diplomatisch auszudrücken.

  • Interessante Geschichte. Nicht nur über den Wagen, sondern auch über den Herrn Spies.